Offene Verstecke

Versteck Nr. 1
Schon lange treibe ich mich auch mit dem Gedanken, safer im Internet unterwegs zu sein. Das ist ein seriöses Thema und nicht einfach. Nicht umsonst stellt die Bevölkerung (mich inbegriffen) – mit Ausnahme des Nachrichtendiensts und ein paar Nerds – alles aber wirklich alles und ohne Vorsichtsmaßnahmen ins Netz. Das ohne jegliches Bedenken darüber, wer das alles nutzen oder lesen wird.
Ich lasse mir schon seit Monaten erzählen, was wohl zu machen wäre, damit ich bestimmen kann, wer weißt, was ich meiner Mutter schreibe, was ich lese, was ich bei dem letzten Telefonat gesagt habe, wo ich bin oder was ich denn von der AFD halte. Meine Freund*innen in der Türkei schreiben seit geräumiger Zeit auch nur noch über die Familie oder den Job.

Ich habe etliche Texte darüber gelesen, in was für einem Digitalisierungswahn wir uns befinden, von einigen den technologischen Angriff genannt, was es bedeutet für die Zunahme an Überwachung, Verhaltenskontrolle, menschliche und Naturausbeutung und dergleichen erfreulichen Entwicklungen. Nichtsdestotrotz, außer einem halbwegs sicheren E-Mail-Anbieter und einer Suchmaschine, die behauptet meine Daten zu „vergessen“, weiß ich nicht genau, was ich machen kann. Ich bin auch nicht sehr technisch versiert.
Dafür habe ich während meiner Recherchen eine Gruppe entdeckt, die Beratung und (fast) sichere freie Soft- und Hardware anbietet. Auf deren Webseite finde ich eine E-Mailadresse bei der man sich melden kann. Ich schreibe und bitte um einen Termin! Immerhin gebe ich einen falschen Namen an.
Die Antwort kommt bald und ich bekomme Tag, Uhrzeit und Adresse. Vorsichtshalber frage ich meinen Kumpel Jonny, ob er mitkommen kann.
Tag X: Berliner Hinterhof, Anton wartet vor der Tür auf uns. Er sieht nett und umgänglich aus. Er bittet uns in die Wohnung, beziehungsweise in den engen und dunklen Wohnungsflur. Die Türen der restlichen Wohnung sind geschlossen. Gelüftet wurde sehr lange nicht mehr.
„Wir haben hier einen Beratungstisch. Wollt ihr euch setzen? Hier ist noch ein kleiner Hocker. Wir machen sonst „one on one“ Beratungen, aber hier ist eine Sitzmöglichkeit, ist es OK?“ fragt er Jonny und zeigt auf einer Trittleiter.
„oh ja, es ist sogar sehr gut für den Rücken“ antwortet mein gesundheitsbewußter Freund.
Und das Gespräch fängt an. Zunächst wird gefragt, wo es weh tut, was sind unsere Ziele und wie wir sie implementieren würden. Dann werden uns allgemeine Tipps gegeben. Als die meisten Fragen geklärt sind, werden uns Second Hand Smartphone und Laptops mit freier Software, manche mit freien Betriebssystemen vorgestellt. Das Letzte Smartphonemodell ist ausverkauft, „es ist aber so schnell und einfach zu bedienen!“ betont unser Berater „Was telefonieren angeht ist aber nichts sicherer als kein Telefon zu haben“, fügt er hinzu.
In diesem Moment klingelt meins. Oh Mist!
„Ich habe vergessen, es auszumachen, es tut mir so leid, ich hätte wirklich daran denken sollten!“  
Anton, verständnisvoll: „Es macht nichts, wir sagen ja nichts verbotenes“.

Na dann. Ich nehme ein tolles Live-Betriebssystem und werde auf jeden Fall die Beratung weiterempfehlen.


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