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Donkey Rides rettet die Welt

Berlin erster Mai 2019. Dieses Jahr findet das zweite Mal eine Demo in Grunewald statt.

Das Programm des Tages: vormittags DGB-Demo, nachmittags um 13 H. Jugendwiderstand in Neukölln und „My Gruni“ S-Bahnhof Grunewald, Abends 18 H unangemeldete Demo in Friedrichshain.

Es ist denke ich das erste Mal, dass eine revolutionäre erste Mai Demo in Friedrichshain stattfindet. Nichtsdestotrotz sind die letzten revolutionären Demos so langweilig gewesen, dass ich wenig Lust habe hinzugehen. Zehn Kilometer im Marschschritt sind nichts für mich, außerdem war letztes Jahr die Grunewalddemo sehr nett. Sekt trinken beim Laufen, gute Technomusik, ganz viel politische Sticker kleben, gute Plakate über Privateigentum und ironische Forderungen, die die alltägliche Rhetorik über „Sozialschwache“ auf reiche Randbezirke ummünzt.
Sehr nett war außerdem der Mangel an Polizist*innen. Dieses Jahr waren mehr von ihnen angekündigt und gleich in dem S-Bahntunnel wurden Leute in Empfang genommen und wegen dem Besitz von Eddings und dergleichen gefährlichen Waffen angehalten. Die Polizeiwarnungen im Vorfeld zeigen Wirkung, wir und unsere Mitdemonstrant*innen gehören eh nicht zu militanten Gruppen, und die Bullerei kann ihr Geschäft unbeanstandet abwickeln.

Das Jahr steht im Zeichen der reformistischen aber nichtsdestotrotz für das Bürgertum und ihre Verwalter erschreckende Forderung von „Deutsche Wohnen & Co enteignen!“. Bei der Hauptbühne vor der Veranstaltung wird auch erklärt, dass Konfettiattacken, Klingelstreiche und Sticker-Randalieren mit Platzverweis bestraft werden. Neben jedem Haus sind zahlreiche Bullen postiert, so sind meine mit gefährlichen Stickern prallgefüllten Taschen sinnlos. Ein paar Porsche, Mercedes und Laternenpfähle können trotzdem mit verstörenden Sticker-Sprüchen wie „Besetzen!“ auf ewig beschädigt werden.

Ende der Veranstaltung. 50 Meter vom S-Bahn-Eingang spielen die Incredible Herrengedeck und Frank, Nils und ich trinken ein Bier. Ich frage, ob ein Stuhl frei sei. „Nein, ein Grunewalder sitzt hier“. Ein paar Minuten später gehen ein paar Leute weg, sie sagen mir, dass die Plätze jetzt frei sind und nutzen die Gelegenheit, um mir klar zu machen, dass „sie wohl hoffen, dass wir den ganzen Müll, den wir in Grunewald verstreut haben, mitnehmen werden,“, es ist ja auch eine Schande, dass wir „das Grunewald Mahnmal an die ermordeten Juden so beschmutzt“ hätten. Niemand aus dem Demozug würde jemals einen solchen Mahnmal beschmutzen, das ohnehin abgesperrt war, aber ich fühle mich trotzdem schuldig.

Wir fahren nach Neukölln zurück. Erleichterung! Die voll-beklebten Wände, Stromkästen und sonstigen Flächen heißen uns willkommen! Hier ist man frei und ich kann meine restlichen Sticker in voller Würdigung endlich anbringen.

Ein paar blöde E-Bikes der Donkey Rides-Firma sind an öffentlichen Fahrradstangen befestigt und ich stürze mich mit Freude auf das Erstbeste. Ein Typ kommt aus der Stangenecke geschossen und brüllt voller Wucht, dass „ich sofort meinen Sticker entfernen soll“! Frank kommt zwischen mich und den fuchtelnden Teufel und zeigt Präsenz. Ich: „nee ich werde es bestimmt nicht abmachen“, „ihr seid Arschlöscher und was habt ihr gegen diese Fahrräder überhaupt“? Nils antwortet genervt: „zum Beispiel Überwachung?“. „Du und deine blöde pseudo linke Kritik!!“ schreit der wütende Selbstgerechte. Wir entfernen uns meckernd und Zeigefinger hoch während der hellsichtige Monkey brüllt „und wir haben diese Fahrräder um diese beschissene Welt zu verbessern“!!

Die Dummheitsgefahr lauert an jeder Ecke, auch am ersten Mai, auch in Neukölln.