Versteck Nr. 2
Schon lange bin ich nicht mehr clubben gegangen. Samstag ist es soweit, Ich gehe mit meinem Kumpel Thomas in die Mehlfabrik!
Der Club macht um 22 Uhr auf. So früh können wir selbstverständlich nicht hin aber um halb zwölf stellen wir schon unsere Fahrräder in die enge Gasse, die zum Club führt. Wir sehen nicht den Eingang, die zwei Schlangen, die ihn ankündigen schon. Links die Schlange für die Gäste, rechts die für das gemeine Partyvolk. Wir gehören wohl zum letzterem und als solches sind wir bald in einem
Affenkäfig: feinmaschige Gitter umzäunen uns und bilden einen Tunnel, aus dem Niemand rein oder raus kann. Vielleicht um zu verhindern, dass die aus der Gästelisteschlange zu uns rüber springen?
Unsere Schlange ist verhältnismäßig kurz, wir warten trotzdem 40 Minuten bis am Ende des Käfigtunnels ein riesiger Affe erscheint.
„Ob wir wissen, was heute Abend hier ist?“
„Eine Zirkusshow?“ Das antworten wir nicht.
„Wie haben wir von der Soirée erfahren?“
„Ob wir wissen, dass nicht geraucht werden darf?“
Ich bin genervt, dass wir befragt werden. Thomas schließt daraus, dass ich wohl lange nicht mehr clubben bin.
Ok, wir haben den Test bestanden. Eine Frau durchsucht noch meinen Rucksack und nimmt mir meine leere Plastikflasche weg. „Eh, warum, ist doch leer!“
Nee, darf ich nicht, wirklich nicht. Ok, heute Abend will ich die Berliner Partyszene neu kennenlernen, ich werde keine Szene machen.
Und der Club ist schon cool. Geräumig und verwinkelt, ein großer Wintergarten aus Holz und Glas, gute Beats…
Ich bin auch hier wegen dem großen Außengelände, also nichts wie raus! Es ist voll Holzkonstruktionen: Gehwege und Türmchen, in denen man rumhängen kann… Und sogar ein Holzfeuer mit seinen Trauben von Feuerglotzer*innen. Ob das mit all den berauschten Leuten nicht gefährlich ist?
Und gleich lege mich auf die Fresse! Hab die Stufe nicht gesehen. Sofort sind Gäste bei mir und fragen, ob alles ok ist. „ja, ja“. Ich stehe auf. Alles ok, ich kann noch laufen, tanzen wird auch gehen.
Wieder rein: „Nein Thomas, ich nehme schon lange keine chemischen Drogen mehr.“
Statt dessen holt er unser übliches Rum-Clubmate. Schön, vorsichtig dosieren. Muss ich aber stehen lassen, denn ich muss dringend aufs Klo. Die Flasche Vodka-Mate die wir im Käfig getrunken haben lässt grüßen.
Oh Mensch, wo ist das Klo? Wieder raus, links, wieder links, Treppe hoch und rechts. Gut, die Schlange ist auch nicht lang. Und die Schlangenkolleg*innen gehen zu zweit, nein, zu dritt auf die Toilette, so bin ich bald dran. Nein, zwei Typen machen mir klar, dass sie es dringender haben. Ist doch klar, sniefen ist wichtiger als pissen.
Als ich endlich in einem Toiletten-Verschlag bin, schäme ich mich schon ein wenig, den Raum für mich allein zu beanspruchen. Man fühlt sich immer ein bisschen peinlich als Minderheit.
Never mind, jetzt tanzen gehen! Megaaaa!
Noch besser wär‘s, wenn nicht ständig Leute rein und raus gehen würden. Alle sind trotzdem freundlich und achtsam, also weiter tanzen, tanzen.
Im Wintergarten können wir uns ausruhen. Dort kann man Clubber*innen beobachten, Partyklamotten vergleichen – ich habe wohl viel zuviel an – und Leute kennenlernen. Der Junge, der mit mir redet, ist für das Wochenende im Club, er ist aus Irland eingeflogen, ist ja sein Geburtstag, hat ein Wochenendticket. Ein Berliner Pärchen fragt mich wie viel Dancefloors auf haben! Schnell, irgendeine Zahl sagen. Die anderen da, er, er, er und sie, sind aus Chile und besuchen die Stadt. Mhh, besuchen den Club!
Ich muss wieder aufs Klo, ein anderes dieses Mal. Die Mädels vor mir gehen zu viert rein. Ich mach schnell, denn ich schäme mich wirklich, solch spießige Bedürfnisse zu haben. Kann man denn nicht offen koksen und die Toiletten den Langweilern überlassen? Nee, dies würde Rausschmiss bedeuten, Koks gehört auf der Toilette, Punkt.
Drinnen im Club ist es wirklich nett. Und gerade haben zwei Typen einen kleinen, Stand aufgebaut mit lauter Krimskrams, die ich nicht identifizieren kann. Voll spannend!
Lauter Dosen, Tütchen, Flyer und eine kleine Schachtel: „Party Pack“. Ich lasse mir erklären was es so alles gibt: unterschiedliche Vitaminen, Präservative, Ohrstöpsel… In dem Partypack ist: eine PVC Karte – Bio und voll abbaubar – denn man könnte Bakterien abfangen, wenn man auf der eigenen EC-Karte das Kocks zerhackt und ein Hygienetüchlein, denn das Handydisplay ist auch voller Bakterien. Weiterhin ein Taschentuch, Spüllsalz, wichtig für die Nasenschleimhäute, und Papierchen „mein Snief – mein Papier“: ja weil Banknoten sehr scharfe Ränder haben und werden außerdem mit chemischen Farben bedruckt.
Die Flyer stellen eine umfangreiche Literatur zu MDMA, Ketamin, Meth und safer sniefen.
„ (…) Benutze Dein eigenes, sauberes Ziehgerät – am besten eins mit stumpfen oder abgerundeten Rändern.“ Steht da im Text.
„ Die empfindliche Naseninnenhaut wird durch scharfe Kanten der Röhrchen leicht gereizt oder verletzt; (…) Das gemeinsamen benutzen von Röhrchen also unbedingt vermeiden! (…) Das gemeinsame ziehen von „lines“ ist ein Ritual das nicht leidet, wenn jede ihr und jeder sein eigenes Ziehröhrchen benutzt. (…). Du kannst dir dein Röhrchen aber auch ganz leicht selber basteln, indem du Aquariumschläuche – preiswert in jeder Tierhandlung oder im Baumarkt erhältlich – auf die richtige Größe zuschneidest und die Kanten mit einem Heißluftfön rund föhnst.“
Allgemeine Safer-use-Infos:
„(…) Solltest du die Möglichkeit haben, nutze Drug checking (Drogen-Testangebote) z.B. Vor-Ort-Tests auf Partys. Mehr Infos findest du im Faltblatt „Drug checking“.
Na dann, beim nächsten Mal werde ich zum Club-Warentest gehen.
„Kann ich Party Packs mitnehmen?“ Frage ich die Jungs. „Partysouvenirs für Freund*innen!“
„Na klar kannst du mitnehmen so viele du möchtest. Die Stadt Berlin lässt grüßen!“